EU-Medizinprodukteverordnung

Sehr geehrter Herr Lindner,

wir, die im Aktionsbündnis Angeborene Herzfehler vertretenen Patientenorganisationen, teilen die große Sorge der Experten aus der Kindermedizin. Viele wichtige und zum Teil lebensnotwendige Medizinprodukte für Kinder verschwinden derzeit vom Markt, weil deren aufwändige Produktion bei sehr geringen Stückzahlen wirtschaftlich nicht attraktiv ist – vor allem, seit die neue EU-Medizinprodukteverordnung greift, die jährliche
Rezertifizierungen für bewährte Produkte beinhaltet. Diese wurde eigentlich auf den Weggebracht, um den Patientenschutz zu erhöhen und bewirkt nun vielfach das genaue Gegenteil.

Viele Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit zum Teil schweren angeborenen Herzfehlern können dank großer Fortschritte in der Medizin im Rahmen von HerzkatheterInterventionen und Herz-OPs behandelt werden. Zu verdanken ist dies den in den letzten Jahrzehnten gut entwickelten Medizinprodukten, deren sichere Anwendung in vielen Kliniken Deutschlands Standard ist. In vielen Fällen erspart man den Betroffenen beispielsweise durch einen Katheter-Eingriff – und damit einem Verzicht auf die Operation am offenen Herzen – die Risiken von Narkose und anschließender Intensivbehandlung  vom frühen Säuglings- und Kindesalter an. Insbesondere im Hinblick auf die vielen fehlenden Pflegekräfte auf (Kinder-)Intensivstationen ist dieser Aspekt nicht zu
vernachlässigen.

Und auch wenn einige dieser Behandlungen eine Operation am offenen Herzen nicht vermeiden können, sind diese Produkte und deren Anwendung im Herzkatheterlabor und in der Kinderherzchirurgie ein großer Gewinn für die Patienten. Aus unserer jahrzehntelangen Arbeit für Menschen mit angeborenen Herzfehlern wissen wir, dass viele Kinder und Jugendliche heute dank dieser Verfahren mit einer guten Lebensqualität das Erwachsenenalter erreichen – was vor 30 bis 40 Jahren noch nicht der Fall war.

Das von uns geschilderte Thema betrifft nicht nur die Menschen mit angeborenem Herzfehler, für die wir das Sprachrohr sind. Viele Menschen mit zum Teil seltenen, chronischen Erkrankungen, insbesondere Kinder und Jugendliche, stehen vor vergleichbaren Problemen.

Wenn aufgrund der neuen EU-Medizinprodukteverordnung eine Reihe dieser Produkte z.B. für Herzkatheter-Interventionen oder auch für operative Eingriffe nicht mehr zur Verfügung stehen, sehen wir erhebliche Rückschritte in der Behandlung schwer kranker Kinder und Jugendlicher. Mit erhöhten Sterbezahlen ist als Folge davon zu rechnen.

Deshalb bitten wir Sie, sich für die Erhaltung und Fortentwicklung dieser Produkte auf EUEbene intensiv einzusetzen. In den USA gibt es sogenannte „Grandfather Clauses“ und „Preamendment Devices“. Dabei gelten für Produkte, die vor der Einführung neuer Vorschriften in Verkehr gebracht worden sind, auch weiterhin die alten Regeln. Damit auch weiterhin Eingriffe und Therapien mit kindgerechten Devices möglich bleiben, brauchen wir in Europa Ausnahmeregelungen für diese seltenen Medizinprodukte, um sicherzustellen, dass auch Produkte mit geringen Verkaufszahlen am Markt bleiben.

Zulassungsbedingungen sollten wirtschaftlich und vom Aufwand her tragbar sein. Gesamtgesellschaftlich sehen wir in der Anwendung verschiedenster Medizinprodukte auch eine Kostenreduzierung in der Medizin.

Mit freundlichen Grüßen
Kai Rüenbrink
Sprecher für das Aktionsbündnis Angeborene Herzfehle

Das Aktionsbündnis Angeborene Herzfehler (ABAHF) 

Um in der Öffentlichkeit mit einer Stimme für eine bessere Versorgung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern und deren Familien einzutreten und ihnen noch effektiver zu helfen, haben sich 2014 die sechs bundesweit tätigen Patientenorganisationen zum „Aktionsbündnis Angeborene Herzfehler“ (ABAHF) zusammengeschlossen. Die Organisationen sind: Bundesverband Herzkranke Kinder e.V., Bundesverein Jemah e.V., Fontanherzen e.V., Herzkind e.V., Interessengemeinschaft Das Herzkranke Kind e.V. und die Kinderherzstiftung der Deutschen Herzstiftung e.V.
Etwa 8.500 Neugeborene mit angeborenem Herzfehler kommen in Deutschland jährlich  zur Welt. Heute erreichen rund 90 % dieser Kinder dank der Fortschritte der Kinderherzchirurgie und Kinderkardiologie das Erwachsenenalter. Die Zahl der Erwachsenen mit angeborenem Herzfehler (EMAH) wird auf 300.000 über geschätzt.

Vertiefende Informationen für Sie:

Kontakt
Aktionsbündnis Angeborene
Herzfehler (ABAHF) c/o
Deutsche Herzstiftung e.V.

Tel. +49 (0)69 955128-114/-140
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